Habeck über Radikalität, Apokalyptik und Naturschutz

SRF: Sternstunde Philosophie 13.12.20 mit Robert Habeck

Robert Habeck, Co-Vorsitzender der deutschen Grünen, war vor seiner politischen Laufbahn Schriftsteller und hat Philosophie studiert.

Im Gespräch in Sternstunde Philosophie werden ausgehend vom Philosophen Hans Jonas Fragen von Moral und Verantwortung anhand konkreter umweltpolitischer Fragestellungen erörtert. Ein paar Gedanken zum Mitnehmen.

Naturschutz ist kein Selbstzweck

~ Min. 24–30

Habeck kritisiert Naturschutz, der die Natur um ihrer selbst Willen schützen will. Da fehlt nämlich einerseits der Mensch (denn “der Natur” ginge es ohne Menschen wohl besser – die Menschheit wäre dann aber weg), andererseits klingt etwas Totalitäres an: Um die Natur zu schützen, darf die Freiheit beschnitten werden.

Naturschutz ist deshalb so zentral, da sie uns und unseren Nachfahren ein gutes Leben ermöglicht – ohne Ressourcenknappheit und daraus entstehende Konflikte. Dies ist die Bedingung für unsere Freiheit und eine offene Gesellschaft.

Muss Umweltpolitik radikaler sein?

~ Min. 30-33

Der Gedanke von oben wird im Kontext radikaler Forderungen nochmals aufgenommen: Eine Politik, welche eine intakte Umwelt absolut setzt (und sich für die Durchsetzung dieses Anliegens über demokratische Grundsätze hinwegsetzt), wäre im Effekt ebenfalls schädlich, da auch sie die Freiheit bedrängt. – Was ist gewonnen, wenn die Freiheit mit totalitären Massnahmen geschützt wird?

Bewegungen wie die Klimajugend können natürlich radikale Forderungen stellen. Verantwortung in der Politik bedeutet hingegen nicht, in der Sache so radikal wie nur irgendwie möglich zu sein, sondern so radikal, wie es gesellschaftlich zu einem Zeitpunkt innerhalb demokratischer Grundsätze durchsetzbar ist.

Angstpolitik und Endzeitfantasien

~ Min. 41–46

Warnrufer wie etwa Jonathan Franzen schlagen Alarm, jetzt eine drastische Klimapolitik einzuschlagen. Der Philosoph Hans Jonas spricht von einer “Heuristik der Furcht”. Ist Angst ein geeignetes Mittel, um Veränderung herbeizuführen?

Auch hier verneint Habeck. Möglichst “scharf gedachte”, “reine” Wahrheiten haben in der Philosophie ihren Platz; Politik lebt hingegen vom Kompromiss. Warnungen können angebracht sein, um die Dringlichkeit unterstreichen. Meist stehen sie aber (a) im Widerspruch zum Ziel und sind (b) diesem auch nicht förderlich.

  • (a) Nochmals: Angst und Endzeit-Sound mit seinem Begleiter, dem autoritären angehauchten “Es muss!”, vertragen sich schlecht mit dem Aufrechterhalten einer freiheitlichen Ordnung, sind also im Zweifel kontraproduktiv.
  • (b) Und sie funktionieren auch nicht: Angst kocht Emotionen hoch und bringt Momentum, schafft aber keine Basis zum Handeln. «Die Welt geht unter! Darum müssen wir jetzt das Klima schützen! Wer macht mit?» – Niemand. Eine Mobilisierung, die trägt, geht über Hoffnung und die Aufforderung zum gemeinsamen Handeln.
Kim   •   21.12.2020