Harald Welzer und die Utopie

SRF Kontext 21.9.20: Der Traum einer besseren Welt – ein Auslaufmodell?, darin das Interview mit Sozialpsychologe und Zukunftsforscher Harald Welzer (22′)

Bei der Utopie von Harald Welzer beginnt damit, über die Zukunft nachzudenken. Denn so schaffen wir überhaupt erst eine Zukunft.

Er plädiert für eine demokratische Umgestaltung hin zu nachhaltigem Wirtschaften und Konsumieren, sowie mehr auf Sinn und Zufriedenheit bedachten Zusammenleben und Arbeiten.

Unter anderem macht er folgende Punkte:

  • Es gibt einen Konflikt zwischen unserem Wirtschaftssystem und Anstrengungen, den Klimawandel zu verhindern bzw. abzuschwächen: Einerseits sollen wir ständig konsumieren, andererseits das Klima schonen. Gemeint als Wachstumskritik, nicht als “Kapitalismuskritik”. Immer alles und immer mehr ist das Problem, nicht Marktwirtschaft. Der Clou: Immer mehr macht eh nicht glücklich.
  • Die Art, wie wir den Klimawandel diskutieren, lässt ihn weit weg von unseren Leben stattfinden. Physikalische Zusammenhänge und Zahlen haben zuerst einmal wenig mit unserem Alltag zu tun – und wir nehmen die Welt nun mal von unserem Standpunkt aus wahr. Die Klimajugend hat geziegt, wie diese Trennung überbrückt werden kann und hat das Thema in die Familien getragen: Was bedeutet essen, fliegen, heizen fürs Klima?
  • Das Denken im Grossen, in Szenarien und weltweiten Zielen wie 1.5° lähmt uns – wir sind Kaninchen vor der Schlange, denn alles, was wir tun, wird nur nullkommanullnullnullirgendwas zu einskommafünf beitragen. Deshalb: nicht bei “weltweit” ansetzen, sondern anfangen. Bessere Praktiken beginnen. Und damit eine Referenz schaffen: Es geht. Dinge können verändert werden. Und Veränderungen bringen auch Chancen. Es wird ein Mosaik von Umsteuerungen brauchen.
  • Wir haben die besten Voraussetzungen dafür: Wir haben so viele Ressourcen wie noch nie. Das Geld. Das Wissen. Die Technologie. Demokratie. Institutionen.
  • Den Zweck im Auge behalten: Ein gutes Leben für alle, das die Voraussetzungen für ein gutes Leben für alle nicht zerstört.

Mir gefällt der Ansatz, Klimawandel in Verbindung mit “dem guten Leben” zu denken. System, Struktur und das grosse Bild mag ich zwar – verstehe aber, dass das nicht alles ist. Wieder ganz dabei bin ich beim Plädoyer fürs Anfangen: Auch ohne bis zum Ende durchgerechneten Plan müssen wir Alternativen anschieben und Neues aufbauen. Damit es Klick macht bei jeder und jedem und etwas wächst, dem sich Wirtschaft und Politik nicht widersetzen können.

Kim   •   1.1.2021